#8: Der richtige Ort für die Geburt

18. Mrz 2022 | Allgemein | 0 Kommentare

Herzlich Willkommen bei Vatern. Mein Name ist Christoph Mauer, und heute geht es um die Wahl des richtigen Geburtsortes für euer Kind. Vatern ist der Podcast für alle gerade werdenden und für alle frisch gewordenen Väter, die sich zu ihrem besten Vater entwickeln wollen. Und da gehört das möglicherweise dazu.

Geburt im Krankenhaus oder zu Hause?

Schauen wir uns zunächst die Zahlen an – und für 2019 gibt es die auch schon. Da sind insgesamt 778.100 Kinder in Deutschland geboren, von diesen sind 12.087 nicht im Krankenhaus, sondern zu Hause geboren und 151 davon ungeplant zu Hause. Bei zweien von diesen 151 war ich sogar. Das hängt damit zusammen, dass ich als Notarzt in sehr ländlichen Gegenden arbeite.

Wie wir sehen, sind die Hausgeburten sind also seit vielen, vielen Jahren bei ein Anteil von weniger als zwei Prozent, 1,8 Prozent waren es im letzten Jahr. Und es gibt viele gesellschaftliche und juristische Gründe, die das erklären.

Das soll alles gar nicht so bedeutsam sein, denn heute geht es um dich und deine Partnerin, und um die Entscheidung, die ihr treffen wollt.

Ich habe euch eine Checkliste geschrieben, mit der ihr die verschiedenen Orte klären könnt und mit der ihr in die Kliniken gehen könnt, um zu schauen, ob das die richtige Klinik ist für euch. Mit der ihr auch mit Hebammen sprechen könnt, um zu sehen, ob sie die richtige Hebamme für euch ist und ist das auch die richtige Methode für ganz genau eure Situation.

Warum medizinische Entscheidungen anders sind

Medizinische Entscheidungen sind anders als Kaufentscheidungen. Es ist eben nicht so, dass du wie beim Autokauf zum Beispiel über eine Lackfarbe entscheidest oder eine Innenausstattung oder dergleichen, sondern du entscheidest über etwas, was mit deiner Gesundheit und daher letztlich mit deiner Identität zu tun hat.

Du bist kein Kunde, sondern du bist eben Patient (naja, eher Angehöriger – aber Du verstehst die Stoßrichtung des Arguments…). Und genauso ist dein Kind, ohne dass es bei der Entscheidung mitreden kann, auch Patient. Es macht nun wenig Sinn, vor jeder medizinischen Entscheidung alle denkbaren Pros und Kontras zu erwägen.

Aber es hilft dir, die Sachen nachzufragen, die sehr häufig passieren, aber möglicherweise eher unbedeutend sind für die körperliche Versehrtheit, und zum anderen die Sachen nachzufragen, die sehr selten sind, aber dann eine gravierende Auswirkung auf den Körper und die Gesundheit haben.

Mit solchen Gedankengängen könnt ihr hier auch durchgehen. Und genauso erzähle ich dir später auch noch, was bei uns dazu geführt hat, dass wir im Krankenhaus gelandet sind. Und welche Bedingungen für welchen Geburtsort eher oder weniger stark sprechen.

Grundsätzlich hast du bei den Möglichkeiten der außerklinischen Geburt die Hausgeburt oder aber das Geburtshaus. Es ist nicht ganz klar, wie viele Geburtshäuser es in Deutschland überhaupt gibt. Wahrscheinlich sind es so 100 bis 130.

Ausschlusskriterien für eine Hausgeburt

Es ist auch nicht ganz klar, wie viele Hebammen überhaupt eine Hausgeburt anbieten. Es kommen dafür nur unkomplizierte Schwangerschaften in Frage. Es muss ein gesundes Kind sein mit einer guten Lage für die Geburt. Es soll nicht die erste Geburt nach einer vorangegangenen Kaiserschnittgeburt sein. Es ist nur für Einlinge, also nicht für Mehrlinge geeignet. Und in der Regel sagt man, dass die Mutter bei einem ersten Kind nicht über 35 Jahre alt sein soll.

Außer diesen Punkten gibt es aber noch sehr klare Kontraindikationen für eine außerklinische Geburt. Das wäre als erstes ein Schwangerschaftsdiabetes, denn der führt häufig zu größeren Kindern (das Insulin, das vom Kind dabei im Übermaß produziert wird, wirkt wie ein Wachstumshormon).

Zweitens ist eine außerklinische Geburt nicht möglich bei medizinischen Zuständen wie einer Praeeklampsie, wie einem HELLP-Syndrom. Und ich möchte hier auf die Details gar nicht eingehen, das ist etwas, was euer Gynäkologe oder Gynäkologin euch erzählt, dann, wenn die Messwerte in die Richtung gehen. Außerdem ist es nicht geeignet für Mütter mit Gerinnungsstörungen und für Mütter mit Bluthochdruck.

So, damit gibt es schon eine gewisse Vorselektion. Das heißt, unter Umständen kommt es überhaupt nicht in Frage für euch, geplant außerklinisch euer Kind zu bekommen. Mal angenommen aber, ihr hättet die freie Wahl. Dann werdet ihr dazu schon rumgelesen haben. Und ihr werdet gemerkt haben, dass die Debatte darüber ausgesprochen emotional ist.

Was sagen die Zahlen?

Ich vermute, dass die Ursache für diese Emotionalität in der Geschichte der westlichen Geburtshilfe liegt. Das hat was damit zu tun, dass es ärztliche Geburtshilfe gibt und die Hebammen. Letztlich war das ein Geschlechterkampf über viele Jahrzehnte, so etwa seit 150 Jahren kristallisiert sich das sehr deutlich heraus.

Ich möchte auf diesen Zwist überhaupt nicht eingehen, denn ich bin davon überzeugt, dass beide Professionen miteinander sehr gut arbeiten können und dass beide ein sehr starken Platz haben zu unterschiedlichen Zeiten der Schwangerschaft und jeweils mit unterschiedlichem Engagement.

Und beide Professionen sind dazu da, der Mutter zu helfen, durch eine Institution zu kommen, die sie so unter Umständen noch gar nicht kennt. Wenn wir uns die Zahlen angucken, die in dieser emotionalen Debatte hin und her geschmissen werden, dann ist es so, dass in der Regel die Hebammen sagen: „Es klappt doch sehr, sehr gut.“ Und die Geburtshelfer, also Gynäkologen oder Gynäkologinnen, sagen: „Ja, aber es gibt doch eine Gefahr.“ Ich möchte also einen kleinen Blick in die Zahlen machen.

Prozentualer Anteil von Sectios

Dazu gibt es vom Bund der freiberuflichen Hebammen die Aussage, dass 95 Prozent der Frauen, die planten, eine außerklinische Geburt zu haben, das Kind auch spontan entbinden konnten. Es gab in dieser Gruppe von Frauen tatsächlich nur fünf Prozent Sectios.

Hingegen ist der Durchschnitt in Deutschland bei 30 Prozent der Geburten eine Sectio. Das bedeutet, es gibt schon wirklich einen großen Unterschied. Ist das aber Äpfel mit Birnen vergleichen, kann man ganz berechtigt fragen?

Denn wenn wir uns die Niedrigrisikoschwangerschaften anschauen, die im Krankenhaus geplant entbunden werden, dann ist da die Sectio-Rate nur 11 Prozent. Na ja, das ist immer noch doppelt so viel wie bei denen, die geplant außerklinisch sind. Aber es sind keine 30 Prozent mehr.

Die Gynäkologen sagen, und das hat auch eine gewisse Berechtigung, zu ihnen ins Krankenhaus kommen ja von vornherein komplexere Schwangerschaften oder Kinder mit irgendwelchen Risikofaktoren, die dann notwendigerweise eine Sectio bekommen. Das lässt sich möglicherweise nicht ganz geschmeidig aufdröseln.

Immerhin ist es so, dass jede sechste der Frauen, die außerklinisch gebären wollten, dann doch letztlich in der Klinik landen. Und das sind natürlich die, die dann auch möglicherweise zu einer Sectio kommen. Vielleicht brauchen wir einen härteren Indikator, um zu gucken, ob es denn hier einen Unterschied im Risiko oder im Verlauf gibt – und das ist die Kindersterblichkeit.

Kindersterblichkeit

Die ist in Deutschland extrem niedrig. In 2019 sind überhaupt nur 18 Kinder gestorben um die Geburt herum, von 778.100. Das ist für die Eltern furchtbar. Wenn wir uns dann aber anschauen, was es als Prozente gibt in der Statistik, dann sind das nüchternere Werte und die lassen sich besser vergleichen als die Einzelschicksale.

Dann gibt es eine Gesamtsterblichkeit bei Kindern, die geplant in die Hausgeburt gegangen sind, von 0,13 Prozent. Aber es gibt eine Gesamtsterblichkeit von den Kindern, die in der Klinik geboren wurden, von 0,5 Prozent. Und dabei müssen wir aber wirklich auch mit einbeziehen, dass da die Risikokinder von vornherein dabei waren. Wir vergleichen also tatsächlich zwei unterschiedlich selektierte Gruppen von Schwangerschaften.

Worauf du bei der Auswahl einer Hebamme achten solltest

Bedeutsam ist für dich bei der Auswahl einer Hebamme für das Geburtshaus oder für die Hausgeburt, dass sie das häufig macht. Und nur ein Drittel aller Hebammen, die für Hausgeburten zur Verfügung stehen, also nicht nur in der Klinik arbeiten, macht mehr als zehn Hausgeburten pro Jahr.

Es lohnt sich tatsächlich also nachzufragen. Es lohnt sich darüber hinaus noch mehr nachzufragen. Wie lange würde sie denn brauchen, bis sie bei dir ist, was ist ihr Anfahrtsweg. Es lohnt sich auch zu wissen, was ist denn die Klinik, die als nächstes geeignet ist für euch. In welche wird denn normalerweise verlegt?

Denn das sind alles Notfallpläne, die die Hebamme selbstverständlich im Kopf hat. Und es hilft euch beiden, Ruhe zu bekommen in eurem Kopf, wenn ihr wisst, es gibt immer einen Notfallplan.

Weitere Möglichkeiten

Seit einigen Jahren gibt es auch eine Besonderheit von Kreißsälen in oder an Kliniken: Hebammenkreißsäle. Also von Hebammen geführte Kreißsäle, die in unmittelbarer Nähe zu einer geburtshilflichen Abteilung sind. Das heißt, im Notfall hätte man wirklich einen kurzen Weg. Im Zweifelsfall könnte man sich auch zum Konsil einen geburtshilflichen Kollegen dazu holen. Aber die Grundidee ist eben, dass da das Hebammenwissen an erster Stelle steht. Es könnte sein, dass das vielleicht das Beste aus beiden Welten ist.

Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe sieht als angemessene Idee eine interventionsarme Geburt in der Klinik. Und das lässt sich ja vorab klären. Dazu gehört zum Beispiel, dass es nicht notwendig ist, als allererstes einen Venenzugang in den Unterarm zu legen, sobald deine Frau da ist.

Möglicherweise gehört dazu auch, dass minimalinvasivere Methoden der Schmerztherapie als erstes verwendet werden, bevor eine rückenmarksnahe Schmerzbehandlung verwendet wird. Die DGGG sieht auch in den Kliniken ein gewisses Verbesserungspotenzial.

Das heißt, wir dürfen erwarten, dass in den nächsten Jahren da noch ganz viel passiert. Und es wird so sein, dass immer mehr Abteilungen sich darauf einstellen, dass ihr als Paar auch eine gewisse Mitsprache haben wollt von dem, was rein so gemacht wird in dem Prozess und nicht nur einfach irgendwelche Automatismen ablaufen.

Wie du deine Partnerin unterstützen kannst

Und ich sage da ihr, weil: das ist wirklich eine gute Situation, in der du deine Partnerin unterstützen kannst. Die hat nämlich möglicherweise einfach etwas anderes zu tun als zu debattieren.

Klärt vorher, was euch wichtig ist

Und es hilft sehr, wenn ihr im Vorfeld geklärt habt, was sind denn hier eure Werte, was ist eure Marschroute und du auch in der Lage bist, das zu artikulieren. Da hilfst du dir, weil du das Gefühl hast, helfen zu können und du hilfst deiner Partnerin, weil sie das Gefühl hat, dass du ihr hilfst.

Seid euch bewusst, dass es eine hochdynamische Situation ist

Ganz wichtig ist, egal was ihr euch im Vorfeld vorgenommen habt, egal wie das läuft, es gibt so unglaublich viele Faktoren, die den Verlauf einer Geburt beeinflussen können. Und vor allem gibt es kein Richtig oder Falsch. Sondern es ist eine hoch dynamische Situation, in der auch Pläne verändert werden dürfen und manchmal müssen.

Es gibt also, wenn das nicht so läuft, wie ihr euch das vorher gedacht habt, auf gar keinen Fall so etwas wie eine Schuldzuweisung. Und das ist erstmal ganz erleichternd. Denn der Wegfall von einer Schuld bedeutet auch, dass eine bestimmte Leistung oder so nicht mehr notwendig ist.

Das heißt, es ist nicht so, dass du durch besonders Dastehen oder deine Partnerin durch besonders gutes Pressen oder so die Situation irgendwie verändert. Sondern ihr gebt einfach das, was geht und dürft ein bisschen loslassen in den Prozess hinein und dürft ein bisschen loslassen in das Vertrauen, dass da Leute sind, die euch was Gutes tun wollen und euch gut begleiten wollen.

Und das ist manchmal die Aufgabe auch ein Stück weit eines alten und bisher oft sehr dienlichen Musters. Denn wir werden so erzogen und unsere Arbeitswelt ist so, dass es besser wird, wenn wir uns mehr anstrengen. Und hier geschieht etwas, wo du unter Umständen die Kontrolle abgeben musst, das darfst du aber auch.

Oder aber, du bestehst darauf, dass du eine Situation kontrollierst, die nicht kontrollierbar ist. Dann wird es wahrscheinlich in einem Gefühl der Unzulänglichkeit resultieren. Davor würde ich dich gerne bewahren.

Macht verschiedene Pläne

Indem du mit deiner Partnerin oder eben der Mutter deines Kindes im Vorfeld besprichst, was ihr wollt. Und dann habt ihr einfach einen Plan und einen zweiten Plan und einen dritten Plan. Und die sind alle gleichwertig okay.

Es gibt einen, den ihr als erstes anstrebt, und die Situation kann so dynamisch werden, dass der dann einfach keine Bedeutung mehr hat. Dann gibt es halt einen zweiten Plan. Dazu gehört auch, dass du lernen darfst, in einer emotional dynamischen Situation Bedürfnisse zu klären und zu befriedigen.

Das heißt, dass du lernen darfst, mit deiner Partnerin oder der Mutter deiner Kinder zu sprechen: „Was brauchst du denn gerade, wie kann ich dir helfen?“ Und dir das dann auch anzuhören, ohne in irgendeine Verteidigungshaltung zu gehen, wenn du kurz angeschrien wirst.

Du hast dafür vielleicht jetzt noch ein paar Monate, vielleicht noch ein paar Wochen. Aber das ist auch etwas, was du im Vorfeld mit ihr besprechen darfst. Und je häufiger du dir darüber klar wirst, dass es so sein wird, dass sie vielleicht etwas rustikaler ist in der Ansprache, als du es gewohnt bist, umso klarer kommst du später damit.

Kleiner Fun-Fact am Rande: auch der beruflich größte Macher muss manchmal einfach nur da sein. Die Anerkennung für dein Sein statt für dein Leisten, das wird noch ein großes Thema werden auf deiner Reise.

Das wird auch ein großes Thema im Podcast. Das wird sich später übrigens auch in deinem Kind fortsetzen. Denn dein Kind wird sehr danach dürsten, einfach nur für sein Sein anerkannt werden und nicht für das, was es alles Tolles macht. Wir werden uns darüber noch ausführlich unterhalten.

Für den Moment aber soll das genauso genügen. Geht bewusst in diese Situation. Klärt im Vorfeld, was eure Bedürfnisse sind. Und das bedeutet: was ihr auf gar keinen Fall wollt, was ihr tolerieren könnt und was ihr sehr gerne wollt. Ladet euch dafür die Checkliste runter. Und dann habt viel Spaß beim Raussuchen. Es wird spannend.